Was ist kognitive Dissonanz?
Vorweg die Theorie von Leon Festinger: Kognitive Dissonanz ist ein als unangenehm empfundener Gefühlszustand, der entsteht, wenn man mehrere Kognitionen hat, die nicht miteinander vereinbar sind. Eine Kognition ist grob gesagt jede (verarbeitete) Information/Einstellung/Wertehaltung, die wir im Kopf haben.
Tja, klingt jetzt kompliziert - in der Praxis ist die kognitive Dissonanz aber ganz einfach zu verstehen. Ein tolles Beispiel, an dem kognitive Dissonanz gut greifbar wird, stammt von einem meiner Professoren auf der JKU:
Stell dir vor - der Morgen nach dem Mensafest. Du fühlst dich gelinde gesagt nicht gerade fit. Du kannst dir nicht vorstellen, dich an diesem Tag aus dem Bett zu quälen. Du kannst dir maximal vorstellen, dass es möglich wäre, dich im Bett umzudrehen wenn du all deine Kraft zusammen nimmst. Aber nicht jetzt. Einfach liegen bleiben und probesterben. Soweit so gut, die heutige Tagesplanung wäre damit abgeschlossen. Leider tut sich im nächsten Moment ein Problem auf: Absolut lebensbedrohender Durst, deine Kehle fühlt sich an wie Schmirgelpapier. Spucke runterschlucken kannst du dir sparen, da ist nichts mehr außer Dürre. Und du weißt es ganz genau, das rettende Cola steht im Kühlschrank. Also, was tun? Das Unmögliche möglich machen und aufstehen? Oder den Durst tapfer ignorieren um das Risiko eines Schwächeanfalls im Vorraum nicht eingehen zu müssen?
Und da haben wir sie. Die kognitive Dissonanz - Kognition 1: Es geht dir hundsmiserabel, du musst auf jeden Fall liegen bleiben. Kognition 2: Den Durst kannst du nicht mehr lange ignorieren, dann musst du aber aufstehen, um das Cola zu holen. Na wenn das mal kein als unangenehm empfundener Gefühlszustand ist.
Die Auflösung des Zustands ist in dem Fall vermutlich recht trivial und wird dein Leben nicht weiter beeinflussen: Du rufst mit dem Handy, das neben deinem Bett liegt deine Mutter an. Sie bringt dir das Cola und dazu einen kleinen Snack ans Bett. ;) Im echten Leben sind kognitive Dissonanzen leider nicht immer so leicht aufzulösen. Vor allem kommt der Frage, wie diese aufgelöst werden eine weit bedeutendere Rolle zu.
Nehmen wir ein paar Beispiele für kognitive Dissonanzen her, z.B.
- Dir ist die Umwelt wichtig, du fährst trotzdem mit dem Auto zur Arbeit.
- Du hast nicht gerade viel Geld auf der Seite, kaufst dir trotzdem das neue Handy.
- Deine Gesundheit ist dir wichtig ist, du rauchst trotzdem täglich 1/2 Packerl.
- usw.
In diesen und vielen anderen Fällen, kommst du nicht leicht aus der Zwickmühle raus. Und jetzt kommts: Das Gehirn kommt mit solchen Spannungszuständen leider nicht gut zurecht. Dann fängt es an, das Problem auf eigene Faust zu lösen...
Das Auflösen der kognitiven Dissonanz
Grundsätzlich stehen dir bzw. deinem Gehirn verschiedene Strategien zur Verfügung, mit der kognitiven Dissonanz umzugehen:
- Die Verhaltensänderung - wäre in den meisten Fällen die gescheiteste Variante, ist aber gleichzeitig die unwahrscheinlichste Wahl. Das würde bedeuten konsequent mit den Öffis zur Arbeit fahren, das schäbige alte Handy weiterbenutzen oder mit dem Rauchen aufzuhören. Ja, soll man gar keinen Spaß mehr im Leben haben?
- Das Abwerten der Alternative - klingt schon besser. ;) Ist ein klarer Fall, mit dem Auto fahre ich 5 Minuten, mit den Öffis ne halbe Stunde. Ich hab meine Zeit nicht gestohlen. Das alte Handy ist sowieso schon nur mehr langsam. Und mein Opa, der immer geraucht hat, ist schließlich auch 95 geworden. Ist halt auch ein bisschen Pech dabei, beim Krebs kriegen.
- Weitere Überlegungen werden als Rechtfertigung hinzugenommen - genial! Ich meine, ob ich die 10 Minuten pro Tag mit dem Auto fahre oder nicht, macht das Kraut nicht fett. Und sooo teuer war das Handy jetzt auch nicht. Ist schnell abbezahlt, sind nur 217 Monatsraten. Klar, ist rauchen nicht gesund. Aber wenn's danach ginge dürfte ich mich nicht mehr atmend auf die Straße stellen.
- Daneben gibt's dann noch weitere Strategien wie: Verleugnung der vorhandenen Dissonanz, Ablenkung mit Sport/Alkohol/etc., Dritte für das Problem verantwortlich zu machen, Nichtwahrnehmen, Leugnen etc.
Auf jeden Fall aber arbeitet dein Gehirn auf vollen Touren daran, das Dilemma aufzulösen. Es will diesen Spannungszustand aufzulösen - und das meist ohne das Bewusstsein mit einzubeziehen. Du schlürfst also vielleicht gerade gemütlich und nichtsahnend deinen Kaffee. Während dessen beschließt dein Gehirn, dass eigentlich die Zigarettenlobby an deiner Sucht schuld ist. Und da das Rauchen eine Sucht ist kannst du ja nachdem du im Teufelskreis mal drin bist, nichts mehr dagegen tun. Oh, wo wir grade dabei sind. Zum Kaffee schmeckts bekanntlich besonders gut... ;)
Leider führen die Bewertungen, die dein Gehirn da vornimmt nicht immer zur objektiv besten Lösung. Im Gegenteil, in vielen Fällen führen sie uns zur Selbsttäuschung - zu Wahrnehmungs-, Denk-, Beurteilungs-und Beobachtungsfehlern. In letzter Konsequenz kann die Selbsttäuschung bis zur Selbstsabotage führen. Erkenntnis ist aber wie so oft auch in diesem Fall der erste Weg zur Besserung. D.h. sobald du über die kognitive Dissonanz und die Auflösungsmuster im Gehirn Bescheid weißt und dich dahingehend aufmerksam beobachtest, bist du ihnen auch schon nicht mehr ganz so ausgeliefert.
Zum Festigen hier nochmal ein kleines Video, vorrangig für die akustischen Lerntypen:
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