Nachgefragt: Lehrabschluss mit 28 Jahren - Du kannst was!

 

Gefühlt seit Jahren ist er allgegenwärtig und aus kaum einer Zeitungsausgabe mehr wegzudenken: der Fachkräftemangel. Und trotzdem gab es laut Statistik Austria im Jahr 2016 (das sind leider die aktuellsten verfügbaren Daten) in Oberösterreich 156.216 Personen zwischen 25 und 64 Jahren, die entweder keinen oder "nur" einen Pflichtschulabschluss vorweisen konnten (62.599 Männer und 93.617 Frauen).

 

Am Arbeitsmarkt hat diese Personengruppe schlechte Chancen auf Arbeit: Personen, die keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Bildungsabschluss vorweisen können, haben nämlich laut Arbeitsmarktservice das mit Abstand höchste Arbeitslosigkeitsrisiko. Im Mai 2019 lag die Quote für besagte Personengruppe bei 20,6% (Frauen 19,8%, Männer 21,4%). Im Vergleich dazu liegt die Arbeitslosenquote bei Personen mit Lehrabschluss bei nur 5,6%.

 

Einer, der sich die Zahlen vermutlich zu Herzen genommen hat und sich dazu entschlossen hat, den Lehrabschluss nachzuholen und der damit seine Karrierechancen wesentlich erhöht, ist Alexander Hanus (28). Er hat am BFI OÖ den Vorbereitungskurs für die Lehrabschlussprüfung zum Metallbearbeiter absolviert und mir ein paar Fragen beantwortet. 

 

Herr Hanus, Sie sind jetzt 28 Jahre alt. Seit wann haben Sie als Hilfsschlosser gearbeitet?

Ich bin inzwischen seit fast 5 Jahren bei der Linz AG als Hilfsschlosser dabei. Nach der Schule habe ich eigentlich eine Kochlehre absolviert und diese auch mit Auszeichnung abgeschlossen. Nachdem im Gastrobereich aber die unregelmäßigen Arbeitszeiten und der Verdienst einfach nicht gepasst haben, habe ich gewechselt. In der Linz AG habe ich im Hafen als Staplerfahrer bzw. Kranführer angefangen und arbeite jetzt als Hilfsschlosser im Bereich Containerreparatur.

 

Haben Sie schon immer gewusst, dass man einen Lehrabschluss mit der entsprechenden Berufspraxis auch nachholen kann? Wie haben Sie vom Projekt Du kannst was!* erfahren? Und wie war der genaue Ablauf über Du kannst was!? 

Grundsätzlich habe ich das schon gewusst, nachdem das normalerweise aber ja relativ lange dauert und auch relativ teuer ist, ist das nicht in Frage gekommen. Durch einen Freund habe ich dann vor etwa 2 Jahren von „Du kannst was“ erfahren. Das Konzept hat mich überzeugt.

 

Ich habe dann bei der Arbeiterkammer und beim BFI alle Details erfragt und bin dann zum Workshop. Dort ging es nochmal um die Voraussetzungen, die man erfüllen muss wie z.B. 2 Jahre nachweisbare Praxis in dem Bereich. Außerdem wurde uns da gezeigt, was wir für die LAP können/lernen müssen.

 

Beim Quali-Check 1 im nächsten Schritt ging’s darum, was konkret angerechnet wird. Ich hab nachdem ich mich 1 Woche darauf vorbereitet hatte Mathematik gleich auf Anhieb geschafft – das erspare ich mich jetzt bei der Lehrabschlussprüfung Ende April/Anfang Mai komplett. Was noch bleibt, ist die Praktische Prüfung. Bei der sind Drehen, Fräsen und händisches Feilen gefragt. Und die Theoretische Prüfung natürlich, dahinter steht 1 Mappe voll mit Fachkunde.

 

Man darf ja nicht vergessen, dass Sie den Vorbereitungskurs auf die LAP neben einem 38,5h-Job machen. Wie viel Zeitaufwand macht der Kurs aus und wie viel Zeit investieren Sie ins Lernen? Wie geht’s Ihnen mit der Zeiteinteilung generell?

Der Kurs hat von Jänner bis März immer Freitags und Samstags stattgefunden. Freitags 16:00-21:00 und Samstags 09:00-14:45. Für die Zeit mussten wir ein bisschen umorganisieren weil meine kleine Tochter normalerweise immer Freitags bei mir ist und Freitag auf Samstag bei mir schläft, das war in der Zeit eben nicht möglich.

 

Grundsätzlich habe ich im Kurs schon immer mitgelernt. Momentan bin ich in der Intensivlernphase und sitze täglich 2-3h konsequent dabei um die LAP zu schaffen. Ich muss aber sagen, dass ich mir relativ leicht mit dem Lernen tue wenn mich etwas wirklich interessiert, deswegen geht’s mir auch ganz gut von der Hand. Ein großer Vorteil ist außerdem auch, dass viele meiner Freunde Metaller sind und ich mit ihnen bzw. auch mit meinen Arbeitskollegen viel fachlich rede.

 

Weiß Ihre Firma Bescheid, dass sie den Lehrabschluss nachholen? Gibt’s da firmenseitig Unterstützung bzw. neue Karrierechancen mit dem Abschluss in der Hand?

Ja, meine Firma weiß davon und unterstützt mich total. Im Kurs haben wir zu Beginn eine Arbeitsplatzbeschreibung gebraucht, die wurde mir komplett zur Verfügung gestellt. Urlaub bzw. Zeitausgleich wegen dem Lernen war und ist überhaupt kein Thema und mir wird sogar der Kursbetrag bezahlt wenn ich die LAP schaffe. Und als Fachkraft bekomme ich dann auch einen besseren Verdienst bezahlt.

 

Ich schätze das sehr, weil ich weiß, dass Firmen da nicht immer so positiv gestimmt sind. Einige Firmen sehen es eher kritisch, wenn man sich weiterbildet weil man sich ja dann einen neuen Job suchen könnte. Dabei könnten sie eigentlich froh sein, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter zu haben.

 

Nach der LAP werde ich jetzt einfach mal ne Zeit Metallbearbeiter bleiben. Mir wurde zwar schon angekündigt, dass es als nächsten Schritt ja die Werkmeisterschule gibt aber das sind dann wieder 2 Jahre Abendschule. Ich schließe das nicht aus, konzentriere mich jetzt aber mal auf die LAP und hoffe, dass dabei alles gut geht.

 

Ich drücke Ihnen die Daumen für die Prüfung, danke fürs nette Interview! :)

(Anm. Alexander Hanus hat die Prüfung inzwischen erfolgreich abgelegt, ganz herzliche Gratulation!)

 

*Du kannst was! ist ein von Arbeiterkammer und ÖGB Oberösterreich initiiertes Projekt. Personen, die 

  • mindestens 22 Jahre alt sind,
  • keinen Berufsabschluss haben oder seit längerer Zeit nicht mehr im erlernten Beruf tätig waren,
  • zugewandert sind und Ihr im Herkunftsland erworbener Bildungsabschluss in Österreich nicht anerkannt wird,
  • mehrjährige Erfahrung in einem vom Projekt vordefinierten Berufe haben,
  • über berufliche Kenntnisse im Ausmaß von etwa der Hälfte der im Berufsbild angeführten Fertigkeiten verfügen,

können damit rasch und zielgerichtet in 4 Schritten ihren Lehrabschluss nachholen:

  1. Einstiegsgespräch über Chancen und Anforderungen zum angestrebten Berufsabschluss
  2. Feststellen der vorhandenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten
  3. Fehlendes Wissen bzw. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden durch gezielte Aus- und Weiterbildung erworben
  4. Die Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer OÖ überprüft im Rahmen eines Quali-Checks den Aus- und Weiterbildungserfolg. Bei positivem Quali-Check wird das Lehrabschlusszeugnis ausgestellt.

 

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