Nachgefragt: Sterbebegleitung als Beruf

 

Palliative Care in einer alternden Gesellschaft

 

Die Weltbevölkerung wird immer älter. Was daraus folgt, sind nicht nur Fachkräftemangel und die Frage, wie unser Pensionssystem in Zukunft finanziert werden kann - sondern auch eine zunehmend große Bevölkerungsgruppe, die im Alter gepflegt werden muss. Sowie zunehmend viele Menschen, die beim Sterben begleitet werden müssen/sollen.

 

Der Fachbereich, der sich mit dieser sensiblen Thematik auseinandersetzt, nennt sich Palliative Care. Palliative Care ist keine rein medizinische Angelegenheit sondern sehr viel mehr. Interprofessionelle Teams, bestehend aus Mitarbeitern der Medizin, Pflege, Sozialarbeit, ehrenamtlichen Hospizbegleitern, Menschen, die im spirituellen Bereich arbeiten, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten bemühen sich bestmöglich, die Bedürfnisse von Sterbenden (oder Personen mit lebensbedrohender Diagnose) und deren Angehörigen im weitesten Sinne nachzukommen.

 

Am BFI OÖ findet regelmäßig die Weiterbildung Palliativpflege (anerkannte Weiterbildung für Pflegende nach GuKG § 64) statt. Ich durfte der langjährigen BFI OÖ-Lehrgangsleiterin DDDr.in Sabine Wöger, MMMSc, MEd, Gesundheitswissenschaftlerin, Tiefenpsychologin und Psychotherapeutin mit logotherapeutischer Ausrichtung sowie Palliative Care als einen der Schwerpunkte Ihres beruflichen Wirkens einige Fragen stellen:

 

Frau Wöger, wie sind Sie selbst zu diesem Berufsfeld gekommen? Und was hat Sie zum Bleiben animiert?

Ich selbst habe ursprünglich die Ausbildung zur DGKS absolviert und war von 1985 bis 2006 Vollzeit in der Pflege tätig. Nachdem ich auf verschiedenen Stationen gearbeitet hatte, habe ich mich 1997 aktiv für die Palliativpflege entschieden. Dort habe ich dann auch fast 10 Jahre lang gearbeitet. 

Damals war das Bewusstsein für Palliative Care noch gering. Ich wollte in den Palliativbereich, weil die oft fehlende Sterbebegleitung oder die ebenso oft völlig vernachlässigte Intimsphäre der Sterbenden auf den verschiedenen Stationen für mich nicht zu ertragen waren und ich meinen Teil dazu beitragen wollte, dass Menschen friedvoll sterben können.

2006 habe ich nebenberuflich als Lehrende in der Palliativpflege begonnen und bin noch immer mit vollem Herzen dabei. Seitdem habe ich einige Ausbildungen absolviert, und bin seit 2012 mit meiner Praxis für Psychotherapie selbständig.

 

Palliative Care ist ein Bereich, den sich vermutlich nicht viele Menschen beruflich vorstellen können. Was bewegt Menschen dazu, dieses Arbeitsfeld zu wählen?

Wir haben in unseren Lehrgängen ganz verschiedene Menschen mit ganz verschiedenen Zugängen zum Thema und ganz verschiedenen Gründen, den Lehrgang zu absolvieren. Oft haben die Menschen selbst negative Erfahrungen mit dem Thema Sterben gemacht. Etwa weil sie sich von einer nahestehenden Person nicht mehr verabschieden konnten oder ähnliches. 

Wir haben aber auch viele Personen in unseren Lehrgängen, die sehr positive Erfahrungen z.B. in einem Hospiz gemacht haben. Gemeinsam ist ihnen allen ihr persönliches Interesse an der Palliative Care.

 

Hat es auch schon Teilnehmer gegeben, denen Sie klipp und klar davon abgeraten haben in die Palliativpflege zu gehen?

Nein, ehrlich gesagt habe ich das noch nicht getan. Das einzige wirkliche Ausschlusskriterium wäre, wenn eine Person keinerlei Empathie mitbringt.

 

Was lernt man in der Ausbildung und wieso ist der interdisziplinärer Zugang dabei so wichtig?

Auf dem Stundenplan der Weiterbildung stehen Themen wie Palliativpflege, Palliativmedizin, Kommunikation, Ethik und Spiritualität, Management, Qualität und Organisation und viele weitere. Die wichtigsten Eckpfeiler der Ausbildung sind allerdings die Weiterentwicklung von Empathie, Team- und Kooperationsfähigkeit, Dialogbereitschaft, Rücksichtnahme, die Bereitschaft zur Eigenerfahrung und vor allem auch die Reflexionsbereitschaft. Es geht viel weniger als in anderen Kursen um die reine Erbringung kognitiver Leistung. Vielmehr geht es darum, die palliative Haltung anzunehmen, sich selbst hinterfragen zu lassen und um die Fähigkeit, sich auf Dinge einlassen zu können.

Deshalb achten wir auch bei der Auswahl der Referenten und Referentinnen darauf, dass diese auch aktuell ganz unmittelbar aus dem Palliativbereich kommen. Damit kann ich gewährleisten, dass neben dem Fachwissen und dem praktischen Tun auch immer das persönliche Erleben von konkreten Situationen Teil des Unterrichtsgeschehens ist. Wir legen sehr viel Wert auf Ganzheitlichkeit, d.h. der/die Referent/in gibt neben dem reinen Inhalt noch viel mehr weiter. So geht es genauso auch darum, was er/sie persönlich fühlt, wenn z.B. eine gesetzte Maßnahme nicht greift.

Da Schwerkranke, Sterbende und deren Angehörige vielfache Bedürfnisse haben, die eine Berufsgruppe alleine nicht abdecken kann, bedarf es eines interdisziplinären Betreuungsteams.

 

Verpflichtender Teil des Lehrgangs ist auch ein Praktikum. Das ist vermutlich der Teil der Ausbildung, der mit der meisten Emotion belegt ist - wie gehen die Teilnehmer mit den dort gemachten Erfahrungen um?

Viele Teilnehmer/innen unserer Kurse wählen die Palliative Care Ausbildung, weil sie auf anderen Stationen negative Erfahrungen mit der Hektik und der Schnelllebigkeit im Alltag gemacht haben. Sie sind meist sehr positiv angetan von der Entschleunigung, die sie auf Palliativstationen erleben. 

Eine sehr schöne Erfahrung für die Teilnehmer/innen ist meist auch, das auf Palliativstationen geltende Prinzip der Kommunikation auf Augenhöhe. Sowohl der Arzt, die Pflegeperson, als auch der/die Patient/in und die Angehörigen – alle leisten einen Beitrag, der gleich wichtig ist.

 

Wie kann man sich konkret den Berufsalltag in der Palliativpflege vorstellen?

Der ganz wichtige Unterschied einer Palliativ- zu jeder anderen Station ist der, dass der/die Palliativpflegende nicht mehr als 3-4 Personen pro Tag betreut. Das ist so wesentlich, weil ein ständiger Wechsel der Pflegeperson für die Patienten zu anstrengend wäre. Sie müssen wissen, dass Palliativpatienten auf Grund ihrer oft multiplen Krankheitsbilder und ihrer damit einhergehenden Schmerzsituation sehr viele individuelle Wünsche haben, die es zu respektieren und zu berücksichtigen gilt. Jedem neuen Pfleger diese Wünsche immer wieder beschreiben zu müssen wäre einfach zu viel für die Patienten.  

Ganz wichtig ist, dass die Palliativpflege neben der medizinischen Pflegetätigkeit, die an sich sehr herausfordernd ist, auch mit der psychosozialen Unterstützung der zu Pflegenden betraut ist. Die Schwerstkranken haben auch hier zahlreiche Bedürfnisse: Von seelischen Bedürfnissen über soziale Schmerzen bis hin zu transzendenten oder spirituellen Themen leisten Palliativpflegende tagtäglich Beistand. Deshalb spielt natürlich auch das Thema Supervision eine ganz wichtige Rolle in diesem Berufsfeld.

 

Wie schätzen Sie die Zukunft der Palliative Care ein? In welche Richtung entwickelt sie sich?

In den letzten Jahren hat sich unglaublich viel in der Palliativpflege getan und es gibt einige Initiativen. Ich selbst engagiere mich in Oberösterreich für die Implementierung von Hospiz- und Palliativkultur in Alten- und Pflegeheimen, das ist ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Altenbetreuungsschule des Landes Oberösterreich.  

Und es gibt auch in den nächsten Jahren unheimlich viel zu tun. Mein wichtigstes Anliegen wäre, dass viel mehr Ehrenamtliche eingebunden werden sollten. Vor allem in den meist sehr unruhigen Nächten auf Palliativstationen oder auch Alten- und Pflegeheimen könnten sie sehr viel Hilfe für die Patienten und entsprechend auch sehr viel Entlastung für das ja in der Nacht ohnehin sehr stark unterbesetzte professionelle Pflegepersonal leisten.

 

Frau Wöger, vielen Dank für das nette und sehr aufschlussreiche Interview!

Kommentare

Ich würde mich sehr für diesen Fachbereich interessieren. Ich bin aber keine gelernte Krankenschwester. Habe habe sehr viel Erfahrung in der Pflege. Mit freundlichen Grüßen Sabine

Sehr geehrte Damen und Herren, ich arbeite in einer Rehaklinik seit 22 Jahren, bin aber dort in der Gastronomie tätig. Ich möchte und ich weiß das mein Platz in der Sterbebegleitung ist. Gibt es für mich in der Palliativ Care Chancen, bzw welche Ausbildung brauche ich dafür? Ganz liebe Grüße, Amira

Sehr geehrte Damen und Herren! ich würde mich auch sehr für die Ausbildung interessieren komme aus Niederösterreich, bin seit 10 Jahren in der Pflege.

Ich bin derzeit als Heimhelferin tätig und interessiere mich für die Ausbildung zur Sterbebegleitung .Wie kann ich neben der Arbeit die Ausbildung machen? Danke lg Sabine Brunnthaler

Guten Morgen, Ich komme aus Salzburg. Gibt es da auch die Möglichkeit? Und wie hoch ist die Förderung? Ich bin bei der Lebenshilfe Mattighofen beschäftigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Als meine Mama mit 59 Jahren in meinen Händen bei uns zuhause eingeschlafen ist, war ich sehr dankbar dass ich die letzten Tage mit ihr verbringen durfte. Mit einem Lächeln auf den Lippen nach ihrem letzten Atemzug verabschiedete sie sich bei uns, und da wusste ich, dass der Tod nichts Schlimmes ist, sondern nur die Zeit davor. Wenn es Menschen gibt, die vielleicht niemanden an ihrer Seite haben. Ich bin von Beruf Lehrerin und habe schon seit langer Zeit an diesem wunderbaren Beruf Interesse. Ich glaube, dass es nichts bewegenderes gibt, als für Menschen dazusein, die in dieser Phase ihres Lebens eine liebevolle Betreeung brauchen. Habe ich als Lehrerin genauso die Möglichkeit diese Ausbildung zu machen? Glg Claudia Lierzer

Sehr geehrte Damen und Herren ! Ich interessiere mich schon seit längerem für die Sterbebegleitung. Ich hab keinerlei Erfahrung in der Pflege, habe 27 Jahre im Handel gearbeitet. Ist es dennoch möglich Hauptberuflich im Palliativ Care zu arbeiten bzw. welche Ausbildung müsste ich absolvieren ? Glg Kerstin

Hallo, kann mich der Beitragstellerin vor mir nur anschließen und hätte auch Interesse an einer Auskunft bezüglich Ausbildungsmöglichkeiten in Österreich bzw. auch die Frage, welche beruflichen Möglichkeiten sich da jeweils daraus ergeben würden? Liebe Grüße

Sehr geehrte Damen und Herren da ich mich sehr für das Thema Sterbebegleitung interessiere würde ich gerne wissen welche Voraussetzungen man mitbringen muss bzw Ausbildung und welche Kurse dazu notwendig wären danke im voraus liebe Grüße Heidi Brückl

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