Warum wir ausgerechnet dann schlechte Entscheidungen treffen, wenn's besonders gut läuft.

 

Wie es dazu kommen kann

Die Besprechung hat gerade angefangen. Du hast für den Rest des Tages schon mal alle anderen Termine abgesagt und dir nichts mehr vorgenommen, wird sicher länger dauern. Es wird ein schwieriger Termin, es geht um eine wichtige Entscheidung, für die noch heute eine Lösung gefunden werden muss. Das Besprechungsteam besteht aus Leuten, die kompetent sind, die du gut kennst und die du sehr schätzt. Das Thema ist aber so vielfältig, dass du nicht damit rechnest, dass überhaupt ein Konsens zustande kommt.

 

Und dann passiert es. Nach kurzem Austausch und einer kleinen Diskussionsrunde sind sich alle beteiligten Personen einig. Alle Teammitglieder sind vorbehaltlos für die eine Lösung, die am Tisch liegt und fangen schon an, Luftschlösser zu bauen. Im Besprechungsraum herrscht Aufbruchstimmung, der Enthusiasmus ist schon fast greifbar. Alles läuft glatt. Wunderbar. Oder? Vielleicht eine Spur ZU glatt?

 

Ohne dir die Freude an der Sache nehmen zu wollen... Geh innerlich einen Schritt zurück und wirf einen zweiten Blick auf das, was da gerade passiert. Wenn eine Gruppe sich schon fast auffällig einig ist und so von ihrer Strategie begeistert ist, dass ihr überhaupt kein möglicher negativer Aspekt einfällt, kann es gefährlich werden. Möglich, dass ihr gerade in die "Groupthink-Falle" getappt seid.

 

Das Phänomen Groupthink bezeichnet gruppendynamische Vorgänge, bei denen laut Definition eine Gruppe von kompetenten Personen zu einer schlechteren oder realitätsferneren Entscheidung als möglich kommt.

 

Wie kann so etwas passieren?

Achtung nicht erschrecken, das Video ist zur Abwechslung mal Englisch ;) 

 

Ok, das Beispiel wirkt jetzt ein bisschen absurd. Aber genau darum geht es. Experten kommen wenn Groupthink zuschlägt zu unsinnigen Entscheidungen. Das berühmteste Beispiel von Groupthink ist die gescheiterte Invasion in der Schweinbucht im Jahr 1961. John F. Kennedy und seine Berater - wohl unumstritten gescheite Leute - kamen nach einigen Fehleinschätzungen zum falschen Schluss. Sie ordneten die Invasion Kubas, mit dem Ziel, das Castro-Regime zu stürzen, an. Und scheiterten auf ganzer Linie.

 

Welche Faktoren begünstigen Groupthink?

  • Als erstes wäre da Zeitdruck - man muss sich auf Grund externer Gegebenheiten möglichst schnell auf eine Lösung einigen. Da werden ein paar Einwände schnell unter den Tisch gekehrt - so wichtig war der Gedanke jetzt ohnehin nicht.
  • Die Gruppenmitglieder kennen sich gut, es herrscht ein Gemeinschaftsgefühl - der Teamgeist passt. Auch in dieser Situation überlegt man sich eher, nicht mit einem Gegenargument negativ aufzufallen.
  • Die Gruppe besteht aus internen Personen - externe Fachexperten werden nicht benötigt, á la "das können wir selbst". Diese Haltung ist - auch inhaltlich, vor allem aber ganz sicher gruppendynamisch - gefährlich.
  • Die Gruppe arbeitet munter drauf los - es werden keine systematischen Methoden angewendet. Das Blöde ist, man merkt es nicht, wenn man sich verrennt.
  • Auch zu viel Ähnlichkeit zwischen den Gruppenmitgliedern kann sich schlecht auf den Entscheidungsprozess auswirken. Faktoren wie gleiche soziale Herkunft, gleiche politische Ansichten, gleiches Alter führen wahrscheinlich zu ähnlichen Ansichten. Das soll vermieden werden wenn man eine von allen Perspektiven her durchdachte Entscheidung möchte. 
  • Einer sagt wo's lang geht. Wenn der ernannte oder informelle Leitwolf der Gruppe recht dominant ist passen sich Abweichler eher an. Das beschleunigt zwar den Entscheidungsprozess, beeinflusst das Ergebnis aber leider negativ.

 

Es wäre übertrieben, zu behaupten, dass eine Entscheidung die unter Vorraussetzungen wie den oben beschriebenen immer und automatisch falsch wäre. Genauer hinschauen sollte man aber in solchen Fällen. Das Bewusstsein, dass es Groupthink gibt, hilft oft schon dabei, nicht so schnell in die Harmonie-Falle zu tappen.

 

Was tun gegen Groupthink?

Im Umkehrschluss kann man Groupthink gut vermeiden, indem die obigen Punkte anders herum angelegt werden. Den Zeitdruck wird man wohl nicht immer in den Griff bekommen. Eine professionelle Gruppenmoderation, die systematische Methoden der Teamarbeit einsetzt oder das Hinzuziehen von externen Fachexperten ist schon viel einfacher und sehr effektiv. Auch die Gruppenzusammensetzung selbst beeinflusst das Ergebnis. Bei der Zusammensetzung der Teammitglieder drauf zu achten, dass eine möglichst bunte Gruppe entsteht (abteilungsübergreifend, interdisziplinär, alters- und geschlechtsgemischt), führt wahrscheinlich zu  objektiv besseren Entscheidungen als der Verbleib in den gewohnten Strukturen der Entscheidungsfindung.

 

Zum Schluss ein einfacher aber extrem wirkungsvoller Trick um Groupthink zu vermeiden: Mach ein Teammitglied zum Advocatus Diaboli - zum Anwalt des Teufels. Diese Person hat kurz gesagt eine Aufgabe: dagegen sein :) Sie soll immer und immer wieder Argumente GEGEN die angestrebte Entscheidung finden. Ein institutionalisierter Nein-Sager also. Der Vorteil ist, dass sich diese Person nicht als "Abweichler" sieht, es ist schließlich ihre Aufgabe, Gegenargumente zu finden. Die Diskussion wird ganz sicher erfrischend belebt, neue Perspektiven beleuchtet, Neues darf entstehen. Und Spaß macht es auch :)

 

Bist du schon in die "Groupthink-Falle" getappt? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren mit uns :)

Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind Pflichtfelder